MAGDEBURG/MZ. Auf dem Computerbildschirm ist ein menschlicher Schädel mit Halswirbelsäule und dem oberen Teil des Brustkorbs abgebildet, neben dem Kehlkopf ist ein gelbes Gebilde zu sehen – ein Tumor. Bernhard Preim kann per Mausklick die dreidimensionale Ansicht in alle Richtungen drehen. “Die Frage ist, ob der Tumor bereits den Kehlkopf infiltriert hat”, sagt der Professor für Informatik an der Universität Magdeburg. Falls ja, müsse der Kehlkopf gemeinsam mit dem Tumor entfernt werden – der Patient könnte dann nicht mehr sprechen.
Preim selbst muss solche Entscheidungen nicht treffen. Aber in seiner Arbeitsgruppe am Institut für Simulation und Grafik ist eine Software entwickelt worden, die Medizinern die Therapie von Tumoren in der Mund-, Hals- und Rachenregion erleichtert. Werkzeug für die Therapieplanung ist der “Tumor-Therapy-Manager”, eine Software, die aus Computertomographie- und Endoskopiedaten dreidimensionale Bilder erzeugt und die jüngst mit einem europäischen Preis für Computergrafik ausgezeichnet wurde.
“Die Software erleichtert den Chirrurgen die OP-Planung, denn sie setzt die vielen Einzelbilder, an denen sich die Ärzte bisher orientieren, zu einem Bild zusammen”, sagt Preim. Eine Herausforderung für die Wissenschaftler war es, die Abstände zwischen dem Tumor und wichtigem Gewebe korrekt darzustellen, erklärt der Informatikprofessor. Sitzt der Tumor etwa zu dicht oder schon im Halswendemuskel, muss dieser mit entfernt werden. Die Folge: Der Patient kann anschließend seinen Arm nicht mehr heben. Die Abwägung zwischen dem Ziel, den Tumor zuverlässig und vollständig zu entfernen und dem Anliegen, umliegendes Gewebe zu erhalten, könne nun aufgrund zuverlässigerer Daten erfolgen. “Ohne Vermessung am Computer können Ärzte sich um 40 bis 60 Prozent, das entspricht bis zu 37 Millimetern, vermessen”, sagt der Informatikprofessor.
Die am Projekt beteiligten Informatiker und Computervisualisten arbeiten bei der Entwicklung der Software eng mit Medizinern der Universitätsklinik in Leipzig zusammen. “Wir sind nach Leipzig gefahren, haben die Arbeitsabläufe von der Aufnahme der Patienten bis hin zur Bestrahlungstherapie angeschaut und überlegt, wo wir die Arbeit der Mediziner unterstützen können”, sagt Jana Dornheim, die in Magdeburg Computervisualistik studiert hat.
“Der erste Schritt war, den Arbeitsalltag der Mediziner zu verstehen”, sagt die 32-Jährige. Jana Dornheim und ihr Mann Lars Dornheim haben sich vor drei Jahren mit der Firma “Dornheim Medical Images” selbstständig gemacht. Sie ist Projektpartner bei der Entwicklung des “Tumor-Therapy-Managers”.
Seit rund neun Jahren arbeiten die Wissenschaftler an dem Projekt. 2006 wurde das erste Modell vorgestellt. “Die Mediziner haben ihn unter anderem für die Patientenaufklärung benutzt, weil die Darstellungen der Software auch für Laien sehr anschaulich sind”, sagt Jana Dornheim. Zwei Jahre später wurde der erste professionelle Prototyp ausgeliefert, der für die OP-Planung eingesetzt werden kann. “Seit 2008 sind mehr als 100 Operationen mit der Software geplant worden”, sagt Preim.
Eigentlich, so Jana Dornheim, bestehe der “Therapy-Manager” aus zwei Produkten. Neben dem Programm zur Therapie- und OP-Planung ermöglicht die Software auch die Dokumentation der Therapieentscheidung. “Bisher wird die Lage und Größe des Tumors von Hand in sechs schematische Ansichten der Halsregion eingezeichnet”, sagt Jana Dornheim. Das Magdeburger OP-Programm erstelle diese Dokumentation nun mit genaueren Bildern.
Derzeit werde die Markteinführung geplant, die wahrscheinlich gemeinsam mit einem Medizingerätehersteller erfolgen soll, sagt Preim. Die Forscher arbeiten aber auch weiter an den Funktionen der Software. Eines der nächsten Projekte könnte die Planung von Bestrahlungstherapien mit dem “Therapy-Manager” sein.